SMATRICS E-Mobility Talk: Dekarbonisierung des Schwerverkehrs
Beim 8. SMATRICS E-Mobility Talk, am 11. Dezember 2025, standen die aktuellen Entwicklungen rund um die Dekarbonisierung des Schwerverkehrs im Mittelpunkt. Mit dabei waren Hauke Hinrichs (CEO SMATRICS), Hubert Schlager, Geschäftsführer Schlager Transport, Stephan Schwarzer, Geschäftsführer eFuels Alliance, Thomas Weiß, eMobility Consultant bei Daimler Truck Austria GmbH und Michal Kubinec, Head of Department OMV Retail Austria.
Die europäischen Klimaziele zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors liegen auf dem Tisch. Dem Schwerverkehr kommt dabei eine besonders tragende Rolle zu: Laut Clean Industrial Deal müssen bereits 2030 45 Prozent der CO2-Emissionen reduziert werden, bis 2050 gilt eine verpflichtende Dekarbonisierung der gesamten europäischen Transportwirtschaft. Um dies zu erreichen, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. Entscheidend dafür ist ein Zusammenspiel der verschiedenen alternativen Antriebstechnologien, um hierfür die größtmögliche und schnellste Wirkung erzielen zu können.
E-Ladeinfrastruktur gemeinsam nutzen
In Österreich ist die E-Mobilität mit fast 35.000 öffentlichen Ladepunkten und rund 250.000 zugelassenen batterieelektrischen PKW bereits gut etabliert. Ein Grund dafür ist die hohe Effizienz dieser Antriebstechnologie, so Hauke Hinrichs, CEO von SMATRICS: „Elektroautos werden mit Strom aus erneuerbaren Quellen geladen und erreichen – selbst wenn man Übertragungsverluste berücksichtigt – einen Gesamtwirkungsgrad von 73 Prozent. Dieses Effizienzniveau schafft keine andere alternative Antriebsart.“ Bei Wasserstoff liegt die Effizienz bei nur 22 und bei eFuels aktuell sogar bei nur 13 Prozent.
War man in der Vergangenheit auf den Hochlauf für E-PKW fokussiert, ziehen nun auch E-LKW nach. Weil der Fahrzeugumschlag im Logistiksektor besonders schnell ist, wird der Hochlauf in diesem Bereich auch deutlich zügiger erfolgen. Aktuelle Förderungen der Regierung unterstützen diese Entwicklung zusätzlich. Die gemeinsame Nutzung der öffentlichen Ladeinfrastruktur bringt zusätzliche Anforderungen mit sich: getrennte Fahrspuren, Wendeflächen und höhere Ladeleistungen speziell für LKW. Das sogenannte Megawatt Charging (MCS) verkürzt die Ladezeit für LKW deutlich, bringt aber auch höhere Installations- und Energiekosten mit sich. Moderne Ultraschnellladepunkte mit 400 kW Leistung sind bereits weit verbreitet und werden von PKW und LWK-Fahrenden gut angenommen. Das Joint Venture von SMATRICS und EnBW wird daher auch im kommenden Jahr den Ausbau gemeinsam nutzbarer Ultraschnellladeinfrastruktur für PKW und LKW vorantreiben, wie bereits dieses Jahr beim Ladepark in Regau (OÖ) umgesetzt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Schwerverkehr ist das Laden im Depot: „Wir können davon ausgehen, dass zu 80 Prozent im Depot geladen wird. Dafür ist eine intelligente Ladeinfrastruktur mit Eigenstromversorgung, entsprechenden Speichermöglichkeiten, Lastmanagement und Instant-Service im Hintergrund entscheidend“, so Hinrichs.
Lösungen für den Übergang wichtig
Mit einem Anteil von knapp fünf Prozent E-Autos (Projektion Ende 2025) zeigt sich auch klar: Verbrenner werden noch Jahrzehnte auf den Straßen unterwegs sein. eFuels bieten hier laut Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuels Alliance, eine niederschwellige Möglichkeit, konventionell betriebene Fahrzeuge zu defossilisieren: „Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir eine alternative Energie im Tank der bestehenden Verbrenner. Das Gute bei eFuels ist, dass dies weder eine Anpassung bei den Fahrzeugen noch bei der Infrastruktur erfordert.“
Die Bedeutung der eFuels liege darin, die Abhängigkeit vom Öl zu verringern. eFuels nutzen die Energie aus Wind und Sonne, deren Potenzial den weltweiten Energiebedarf um ein Vielfaches übersteigt. Die Frage des Wirkungsgrads spielt hier keine Rolle, denn es geht darum große Mengen Erdöl durch klimaneutrale Kraftstoffe zu ersetzen. Aktuell befindet sich diese Antriebsform noch in der Pionierphase, die Produktion von eFuels ist durchaus anspruchsvoll. Daher plädiert Schwarzer für entsprechende Rahmenbedingungen: „Die Politik ist hier gefordert die hemmende Regulatorik abzubauen und den Weg für eFuels zu ebnen. Ohne Förderungen wird es – ähnlich wie bei der E-Mobilität – in der Anfangsphase nicht gehen.“ Mit einem Mix an unterschiedlichen Antriebstechnologien bietet sich auch die große Chance, die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs massiv zu beschleunigen. Man muss die Emissionsreduktionen dort suchen, wo die Emissionen besonders hoch sind, und da kommt man am Road Sector nicht vorbei. Wenn man alle Technologien wie Elektroantrieb, Biosprit und eFuels nutzt, kann man die Klimaneutralität am ehesten schaffen. Die EU kämpft gegen den Niedergang als Industriestandort und die Rettung der Automobilindustrie als dessen Herzstück ist ein vordringliches Ziel Dazu gehört auch die Technologieoffenheit als Maßnahme.
Wirtschaftlichkeit im Vordergrund
Klare wirtschaftliche Kriterien sind bei allen alternativen Antriebstechnologien entscheidend. Seit über 15 Jahren setzt OMV auf Technologieoffenheit und konnte bereits umfangreiche Erfahrungen mit E-Mobilität, Wasserstoff, LNG oder HVO sammeln. „Der Fokus liegt immer bei den Kund:innen. Wirtschaftlichkeit muss bei jeder Antriebstechnologie entlang der gesamten Wertschöpfungskette gegeben sein“, betont Michal Kubinec, Head of Department OMV Retail Austria. Frühphasige Förderungen seien sinnvoll, müssen aber zielgerichtet eingesetzt werden.
Auch beim Thema Wasserstoff hat sich gezeigt, dass der Markt noch nicht reif war – trotz hoher Investitionsbereitschaft des Unternehmens über mehr als ein Jahrzehnt hinweg. Ob Wasserstoff im Schwerverkehr in Zukunft eine Rolle spielen wird, hängt auch davon ab, wie sich andere Technologien – insbesondere der E-LKW – in naher Zukunft entwickeln. Ähnlich gestaltet es sich aktuell bei LNG, dessen Import nach Österreich komplex und kostspielig ist, während zugleich das Angebot geeigneter Fahrzeuge rückläufig ist. Bei HVO liege der Vorteil klar darin, dass bestehende Flotten und Infrastruktur weiter genutzt werden können.
Als vielversprechende Zukunftslösung sieht die OMV die Elektromobilität, deren Nutzung im LKW-Bereich zuletzt stark gestiegen ist. „Immer mehr LKW nutzen auf ihren Tagestouren Ultraschnellladepunkte und verbinden dabei das Notwendige mit dem Angenehmen: Die verpflichtenden Rastzeiten lassen sich bequem mit Essen und sanitären Pausen kombinieren“, weiß Kubinec. Das Unternehmen setzt daher auch in Zukunft einen Fokus auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur an den eigenen Standorten: Das Netz von 500 existierenden Ladepunkten soll in 2026 um weiter 170 neue Ladepunkte errichtet werden, mindestens ein Drittel davon LKW-tauglich – ein entscheidender Schritt zu einem dichteren und verlässlicheren Ladenetz.
Elektrifizierung der Flotte ganzheitlich denken
Wie wirtschaftlich die Elektrifizierung eines Fuhrparks bereits heute sein kann, zeigt das oberösterreichische Unternehmen Schlager Transport. Das Logistikunternehmen hat vor drei Jahren mit der Umstellung begonnen. „Es wurde schnell klar, dass ein Umstieg auf E-LKW nur dann funktionieren kann, wenn man ganzheitlich denkt“, erklärt Hubert Schlager, Geschäftsführer Schlager Transport. Neben einer eigenen Ladeinfrastruktur betreibt das Unternehmen eine 765 kWp Photovoltaik-Anlage samt 1,6 MW Energiespeicher und hat heuer bereits eine Autarkiequote von 56 Prozent erreicht. Die E-LKW-Flotte hat inzwischen eine Million Kilometer zurückgelegt, wodurch rund 240.000 Liter Diesel eingespart werden konnten – und das ohne einen einzigen Ausfall. Für das kommende Jahr wurden bereits weitere sechs Fahrzeuge bestellt. Besonders erfreulich sei auch die Akzeptanz der Fahrer:innen: komfortableres Fahrgefühl, weniger Lärm, eine überraschend hohe Lebensdauer.
Herausforderungen sieht Schlager vor allem bei langen Vorlaufzeiten und beim intelligenten Lastmanagement – etwa beim Umgang mit Lastspitzen oder bei notwendigen Trafokapazitäten. Der Unternehmer ist dennoch überzeugt: „Logistik ist ein klarer Treiber der Energiewende. Mit der Elektrifizierung meiner Flotte kann ich meine Kosten selbst beeinflussen. Das ist also längst kein ideologisches, sondern ein wirtschaftliches Thema.“ Gleichzeitig sieht Schlager große Chancen für europäische Fahrzeughersteller, da alle führenden Produzenten mittlerweile voll funktionsfähige E-LKW-Modelle anbieten. Dieses Momentum müsse genutzt werden.
Verlässliche Partnerschaft entscheidend
Auch die Herstellerseite bestätigt, dass die Elektrifizierung des Schwerverkehrs technisch und wirtschaftlich voranschreitet. Daimler Truck ist bereits 2021 in die Serienproduktion eingestiegen und bietet E-LKW-Modelle mit Reichweiten bis zu 500 Kilometern an. An Ultraschnellladern (400 kW) dauert das Laden rund 90 Minuten (20 bis 80 Prozent), mit Megawatt-Charging-Technologie (bis zu 1,1 MW Ladeleistung) sogar nur etwa 30 Minuten. Eine Testfahrt (mit 40t) durch 22 europäische Länder belegte einen durchschnittlichen Verbrauch von 103 kWh pro 100 Kilometer – ein deutlicher Vorteil gegenüber Diesel. „Unsere Fahrzeuge verbrauchen bis zu 50 Prozent weniger Energie pro Kilometer und fahren CO₂-neutral, ohne Feinstaub und mit deutlich weniger Lärm“, unterstreicht Thomas Weiß, eMobility Consultant bei Daimler Truck Austria GmbH. Auch das Fahrerlebnis verbessere sich spürbar: geringere Vibrationen, bessere Straßenlage und schnelleres Reaktionsverhalten.
Für den Fernverkehr sieht Daimler den Wasserstofftruck als sinnvolle Ergänzung, weil sich damit Reichweiten von rund 1.000 Kilometern erzielen lassen. Entscheidend bleibe jedoch die Zusammenarbeit mit Infrastrukturbetreibern und Politik. „Ohne verlässliche Ladeinfrastruktur, bzw. in Zukunft H2 Betankungsmöglichkeiten, Depotlademöglichkeiten und passende Förderprogramme geht es nicht. Wir müssen Projekte gemeinsam auf die Straße bringen.“ Das Unternehmensziel ist klar: Bis 2030 soll das Verhältnis von Diesel- und E-LKW ausgeglichen sein – und bis 2039 ausschließlich LKW mit alternativen Antriebsformen vom Band rollen.
Die Anforderungen an Betreiber wachsen ebenfalls, denn der Anspruch an ein verlässliches Ladenetz ist bei Flotten und E-LKW wesentlich höher. Schimany erwartet allerdings noch mehr Bewegung – Stichwort bidirektionales Laden, Speicher oder Gigawatt-Charging. „Wenn wir allein auf die Dynamik der letzten 36 Monate in der E-Mobilität zurückblicken, können wir von großen Veränderungen ausgehen, die wir bei der Verbrennungstechnologie in diesem Tempo nie hatten.“